Weihnachtsgeschichte
~ Marley's Geist ~
Der 1. Geist ~ Der 2. Geist
~ Der letzte Geist ~ Das Ende ~
Der letzte Geist
Die Erscheinung kam langsam, feierlich,
schweigend auf ihn zu. Als sie herangekommen war, fiel Scrooge auf die
Knie nieder, denn selbst die Luft, durch die sich der Geist bewegte,
schien geheimnisvolles Grauen um sich zu verbreiten. Die Erscheinung war
verhüllt in einem schwarzen, weiten Mantel, der nichts von ihr sehen
ließ, als eine ausgestreckte Hand. Wäre diese nicht gewesen, es wäre
einem schwer angekommen, die Gestalt von der Nacht zu trennen, die sie
umgab! Als sie neben ihm stand, fühlte er, daß sie groß und stattlich
war und daß ihn ihre geheimnisvolle Gegenwart mit einem feierlichen
Grauen erfüllte. Er wußte weiter nichts, denn der Geist sprach und
bewegte sich nicht.
»Ich stehe vor dem Geist der zukünftigen Weihnacht?« fragte Scrooge.
Der Geist antwortete nicht, sondern wies mit der Hand zur Erde hinab.
»Du willst mir die Schatten der Dinge zeigen, die noch nicht geschehen
sind, aber noch geschehen werden?« fuhr Scrooge fort. »Willst du das,
Geist?«
Der obere Teil der Verhüllung bauschte sich auf einen Augenblick in
Falten, als ob der Geist sein Haupt neige; dies war die einzige Antwort,
die Scrooge erhielt.
Obgleich schon so ziemlich an gespenstische Gesellschaft gewöhnt, bangte
Scrooge vor der stummen Erscheinung doch so sehr, daß seine Knie wankten
und er kaum noch stehen konnte, als er sich ihr zu folgen bereit machte.
Der Geist stand für einen Augenblick still, als bemerke er die Furcht
seines Begleiters und als wolle er ihm Zeit lassen, sich zu erholen.
Aber Scrooge befand sich dadurch noch schlechter. Ein fremdes,
unbestimmtes Grausen durchbebte ihn bei dem Gedanken, daß sich hinter
diesem schwarzen Schleier gespenstische Augen fest auf ihn heften
könnten, während er, obgleich er seine Augen aufs äußerste anstrengte,
doch nichts sehen konnte als die gespenstische Hand und eine große,
schwarze Faltenmasse.
»Geist der Zukunft«, rief er, »ich fürchte dich mehr als die Geister,
die ich schon gesehen habe. Aber da ich weiß, daß es dein Zweck ist, mir
Gutes zu tun, und da ich noch zu leben hoffe, um ein anderer Mensch zu
werden, als ich bisher war, bin ich willens, dich zu begleiten und tue
es mit einem dankerfüllten Herzen. »Willst du nicht zu mir sprechen?«
Die Gestalt gab ihm keine Antwort. Die Hand wies gerade vor ihm hin in
die Ferne.
»Führe mich«, bat Scrooge. »Führe mich, die Nacht schwindet schnell, und
die Zeit ist für mich kostbar. Führe mich, Geist.«
Die Erscheinung bewegte sich ebenso von ihm weg, wie sie auf ihn
zugekommen war. Scrooge folgte dem Schatten ihres Gewandes, der ihn
aufhob und von dannen trug. Es war kaum, als ob sie in die City träten;
eher schien die City rings um sie her in die Höhe zu wachsen und sie zu
umdrängen. Aber sie waren doch mitten in ihrem Herzen, auf der Börse
unter den Kaufleuten, die geschäftig hin und her eilten, mit dem Geld in
ihren Taschen klimperten, in Gruppen miteinander sprachen, nach der Uhr
sahen und gedankenvoll mit den großen, goldenen Petschaften an den
Uhrketten spielten, wie Scrooge es schon so oft gesehen hatte. Der Geist
blieb bei einer Gruppe von Kaufleuten stehen, und Scrooge sah, daß die
Hand der Erscheinung darauf hinwies; daher näherte er sich ihnen, um ihr
Gespräch zu belauschen.
»Nein, ich weiß nicht viel davon zu sagen«, sagte ein großer fetter Mann
mit einem ungeheuren Doppelkinn. »Ich weiß nur, daß er tot ist.«
»Wann starb er denn?« fragte ein anderer.
»Vorige Nacht, glaub' ich.«
»Mein Gott, was hat ihm denn gefehlt?« mischte sich ein Dritter ein, der
dabei eine große Prise aus einer sehr großen Dose nahm. »Ich dachte, der
würde nie sterben.«
»Weiß Gott«, sagte der erste und gähnte.
»Was hat er mit seinem Geld angefangen?« fragte ein Herr mit einem roten
Gesicht und einem Auswuchs an der Nasenspitze, der wie der Lappen eines
Truthahns wackelte.
»Ich habe nichts davon gehört«, sagte der Mann mit dem fetten
Doppelkinn, und gähnte abermals. »Hat es wahrscheinlich seiner Firma
hinterlassen. Mir hat er's nicht vermacht. Das weiß ich.«
Dieser reizende Scherz wurde mit einem allgemeinen Gelächter begrüßt.
»Es wird wohl ein sehr billiges Begräbnis werden«, fuhr der Dicke mit
dem Doppelkinn fort; »denn so wahr ich lebe, ich kenne niemanden, der
mitgehen sollte. Wenn wir nun zusammenträten und freiwillig mitgingen?«
»Ich tue mit, wenn für einen Lunch gesorgt wird«, bemerkte der Herr mit
dem Truthahnlappen an der Nasenspitze. »Aber ich muß zu essen haben,
wenn ich dabei sein soll.«
Ein neues Gelächter.
»Nun, da bin ich doch wohl der Uneigennützigste von euch«, meinte der
erste Sprecher, »denn ich trage nie schwarze Handschuhe und esse nie
Lunch. Aber ich gehe mit, wenn sich noch andere finden. Wenn ich mir's
recht überlege, war ich am Ende sein vertrautester Freund; denn wir
blieben stehen und sagten einander, wenn wir uns auf der Straße trafen:
`Guten Morgen, guten Morgen!´«
Sprecher und Zuhörer gingen fort und mischten sich unter andere Gruppen.
Scrooge kannte die Leute und sah den Geist mit einem fragenden Blick an.
Die Erscheinung schwebte weiter und hinaus auf die Straße. Ihre Hand
wies auf zwei sich begegnende Personen. Und wieder hörte Scrooge zu, in
der Hoffnung, jetzt die Erklärung zu finden. Denn er kannte auch diese
Leute recht gut. Es waren Kaufleute, sehr reich und von großem Ansehen.
Er hatte sich immer bestrebt, in ihrer Achtung zu bleiben, das heißt in
Geschäftssachen, rein in Geschäftssachen.
»Wie geht's?« sagte der eine.
»Wie geht's Ihnen?« der andere.
»Gut«, erwiderte der erste. »Der alte Knauser ist endlich tot, wissen
Sie es schon?«
»Ich hörte es«, antwortete der zweite. »Es ist kalt heute, nicht wahr?«
»Wie sich's zu Weihnachten schickt. Sie sind wohl kein
Schlittschuhläufer?«
»Nein, nein. Habe an andere Sachen zu denken. Guten Morgen!«
Kein Wort weiter. So trafen sie sich, so trennten sie sich.
Scrooge war erst zu staunen geneigt, daß der Geist auf anscheinend so
unbedeutende Gespräche ein Gewicht zu legen schien; aber sein Gefühl
sagte ihm, daß sie eine verborgene Bedeutung haben müßten, und er
zerbrach sich den Kopf, welcher Art diese sein könnte. Die Gespräche
konnten sich nicht auf den Tod Jacobs, seines alten Kompagnons,
beziehen, denn der gehörte der Vergangenheit an, und sein Führer war
doch der Geist der Zukunft. Auch konnte er sich niemanden von den ihn
näher Angehenden vorstellen, auf den er sie hätte beziehen können. Aber
in der Gewißheit, daß für ihn doch eine wichtige Lehre darin liege, auf
wen sie sich auch beziehen möchten, beschloß er, jedes Wort, das er
hörte, und jede Szene, die er sah, treu in seinem Herzen aufzubewahren,
und vorzüglich seinen Schatten zu beobachten, wenn er erschien. Denn er
erwartete von dem Benehmen seines zukünftigen Selbst die noch fehlende
Aufklärung und die Lösung der Rätsel, die ihm jetzt so schwierig vorkam.
Schon auf der Börse sah er sich nach seinem Selbst um; aber ein anderer
stand in seiner gewohnten Ecke, und obgleich die Uhr die Stunde zeigte,
wo er gewöhnlich dort war, bemerkte er sich doch auch nicht unter den
Scharen, die sich durch den Eingang hereindrängten. Das überraschte ihn
indessen um so weniger, als er schon lange daran gedacht hatte, sein
Geschäft aufzugeben; und nun glaubte und hoffte er, in diesen
Erscheinungen schon die einstige Verwirklichung seines Planes zu
erblicken. Regungslos und schwarz stand neben ihm das Gespenst mit
seiner starr ausgestreckten Hand. Als er wieder von seiner
nachdenklichen Stellung aufblickte, glaubte er (nach der Richtung der
Hand zu urteilen), daß sich die unsichtbaren Augen fest auf ihn
hefteten. Bei diesem Gedanken überlief ihn ein kalter Schauer. Sie
verließen darauf die geschäftige Umgebung und gingen in einen
abgelegenen Teil der Stadt, wo Scrooge nie vorher gewesen war, dessen
Lage und schlechten Ruf er aber kannte. Die Straßen waren schmutzig und
eng, die Läden und Häuser ärmlich, die Menschen halbnackt, betrunken,
barfuß, häßlich. Gäßchen und Torwege strömten, wie ebenso viele Kloaken,
abscheuerregende Gerüche und Schmutz und Menschen in die Straßen, und
das ganze Viertel schien erfüllt von
Verbrechen, Unrat und Elend. In einem der tiefsten Winkel dieses
Zufluchtsorts der Sünde und des Verbrechens befand sich ein niedriger,
dunkler Laden unter einem Wetterdach, in dem Eisen, Lumpen, Flaschen,
Knochen und Fleischabfälle verkauft wurden. Auf dem Fußboden lag ein
Haufen verrosteter Schlüssel, Nägel, Ketten, Türangeln, Feilen, Wagen,
Gewichte und altes Eisen aller Art. Geheimnisse, die zu enträtseln
wenige verlangen würden, entstanden und verbargen sich in Bergen
widerlicher Lumpen, Massen verdorbenen Fettes und ganzen Beinhäusern von
Knochen. Mitten unter seinen Waren saß neben einem aus alten Kacheln
zusammengesetzten Ofen ein grauhaariger, fast siebzigjähriger Schelm,
der sich vor der Kälte draußen durch einen bauschigen Vorhang von
allerlei, auf eine Leine gehängten Lumpen geschützt hatte und seine
Pfeife voll Behagen rauchte. Scrooge und die Erscheinung traten neben
diesen Mann, als eine Frau mit einem schweren Bündel in den Laden
schlich. Kaum war sie eingetreten, als ihr eine zweite Frau, auch mit
einem Bündel, folgte, und dieser dicht auf den Fersen ein Mann in einem
alten, schwarzen, abgetragenen Anzug, der nicht weniger vor dem Anblick
der beiden erschrak, als diese voreinander erschrocken waren. Nach
einigen Augenblicken wortlosen Staunens, an dem sich der Alte mit der
Pfeife beteiligt hatte, brachen sie alle drei in ein lautes Gelächter
aus.
»Schau an, die Putzfrau ist die erste«, rief die zuerst eingetreten war.
»Schau an, die Waschfrau ist die zweite, und der Sargträger ist der
dritte. He, Joe, das ist ein Glücksfall! Wir treffen uns hier alle drei,
ohne daß wir uns verabredet haben.«
»Ihr hättet euch an keinem bessern Ort treffen können«, sagte der alte
Joe, die Pfeife aus dem Mund nehmend. »Kommt in den Salon. Ihr habt
schon lange freien Zutritt dort, das wißt Ihr ja, und die anderen zwei
sind auch keine Fremden. Wartet, bis ich die Ladentür zugemacht habe.
Oh, wie sie knarrt! Ich glaube, es gibt kein so rostiges Stück Eisen in
dem ganzen Laden, als die Türangeln; und ich weiß, es gibt keine so
alten Knochen hier, wie meine. Haha, wir passen zu unserm Geschäft.
Kommt in den Salon!«
Der Salon war der Raum hinter dem Lumpenvorhang. Der Alte kratzte das
Feuer mit einem alten Rouleaustab zusammen, schob den Docht seiner
qualmigen Lampe, denn es war Abend, mit dem Pfeifenstiel in die Höhe und
steckte diese dann wieder in den Mund. Während er damit beschäftigt war,
warf die zuerst eingetretene Frau ihr Bündel auf den Boden und setzte
sich mit kokettierender Frechheit auf einen Stuhl; dann legte sie die
Hände auf die Knie und sah die beiden andern herausfordernd an.
»Nun, was ist dabei, was ist schon dabei, Mrs. Dilber? Jeder hat das
Recht, für sich zu sorgen. Und er tat es immer.«
»Das ist wahr«, sagte die Waschfrau. »Keiner tat es eifriger.«
»Na, warum gafft Ihr da einander an, als hättet Ihr Bange, wer der
Schlauere sei? Wir wollen doch nicht einander die Augen aushacken, denk'
ich.«
»Nein, gewiß nicht«, sagten Mrs. Dilber und der Mann wie aus einem
Munde. »Wir wollen es nicht hoffen.«
»Na, gut denn«, rief die Frau, »das ist genug! Wem schadet's, wenn wir
so ein paar Sachen mitnehmen, wie die hier? Einer Leiche gewiß nicht.«
»Nein, gewiß nicht«, lachte Mrs. Dilber.
»Wenn er sie noch nach dem Tode behalten wollte, wie ein alter
Geizhals«, fuhr die Frau fort, »warum war er nicht besser zu seinen
Lebzeiten? Wäre er's gewesen, dann hätte er auch jemanden um sich
gehabt, als er starb, statt daß er mutterseelenallein seinen letzten
Atem fahren lassen mußte.«
»Es ist das wahrste Wort, das je gesprochen wurde«, bestätigte Mrs.
Dilber.
»Es ist ein Gottesgericht.«
»Ich wünschte, es wäre ein bißchen schwerer ausgefallen«, meinte die
Frau, »und es wär's auch, verlaßt euch drauf, wenn ich hätte mehr
bekommen können. Mach das Bündel auf, Joe, und sag mir, was es wert ist.
Sprich dreist heraus. Ich fürchte mich nicht, die erste zu sein, noch es
die hier sehen zu lassen. Wir wußten ganz gut, daß wir für uns sorgten,
ehe wir uns hier trafen. Das ist keine Sünde. Mach das Bündel auf, Joe.«
Aber die Galanterie ihrer Freunde wollte das nicht erlauben; und der
Mann in dem abgetragenen schwarzen Rock brachte seine Beute zuerst. Es
war nicht viel los damit: ein oder zwei Petschafte, ein silberner
Bleistift, ein Paar Hemdknöpfe und eine Brosche von geringem Wert: das
war alles. Die Gegenstände wurden von dem alten Joe untersucht und
geschätzt, worauf er die Summe, die er für das einzelne bezahlen wollte,
an die Wand schrieb und zusammenrechnete, als er fand, daß nichts mehr
nachkam.
»Das ist Eure Rechnung«, sagte Joe, »und ich gebe keinen Sixpence mehr
und sollte ich in Stücke gehauen werden. Wer kommt jetzt?«
Mrs. Dilber war die nächste. Sie hatte Bett- und Handtücher, einige
Kleidungsstücke, zwei altmodische silberne Teelöffel, eine Zuckerzange
und einige Paar Stiefel. Ihre Rechnung wurde von Joe auf dieselbe Weise
an die Wand geschrieben.
»Damen gebe ich immer zuviel. Es ist meine Schwäche, und ich richte mich
damit zugrunde », sagte der alte Joe. »Hier ist Eure Rechnung. Wolltet
Ihr einen Pfennig mehr dafür haben und es darauf ankommen lassen, so
täte es mir leid, so nobel gewesen zu sein, und ich zöge Euch eine halbe
Krone ab.«
»Und nun mach mein Bündel auf, Joe«, drängte die erste.
Joe kniete nieder, um bequemer das Bündel öffnen zu können, und nachdem
er viele viele Knoten aufgemacht hatte, zog er eine große schwere Rolle
von einem dunklen Stoff heraus.
»Was ist das?« staunte Joe. »Bettgardinen!«
»Ja«, rief das Weib lachend und sich vorbeugend. »Bettgardinen!«
»Ihr wollt doch nicht sagen, Ihr hättet sie heruntergenommen, wie er
dort lag?« sagte Joe.
»Ih, freilich«, sagte das Weib. »Warum auch nicht?«
»Ihr seid geboren, Euer Glück zu machen, und Ihr werdet's auch.«
»Ich werde doch wahrhaftig meine Hand nicht leer einstecken, wenn ich
sie nur auszustrecken brauche, um was zu kriegen, um so eines Mannes
willen, wie der war. Wahrhaftig nicht, Joe«, antwortete das Weib ruhig.
»Laß kein Öl auf die Bettdecken tropfen.«
»Seine Bettdecke?« fragte Joe.
»Von wem soll sie denn sonst sein?« entgegnete das Weib. »Er wird auch
ohne die nicht frieren, das behaupte ich.«
»Er starb doch nicht etwa an etwas Ansteckendem?« fragte der alte Joe
bedenklich, seine Beschäftigung unterbrechend und sie anblickend.
»Das braucht Ihr nicht zu befürchten«, antwortete die Frau. »Ich hatte
ihn nicht so lieb, daß ich dann bei ihm geblieben wäre um solcher Lumpen
willen. Ha, Ihr könnt durch das Hemd gucken, bis Euch Eure Augen weh
tun: Ihr findet kein Loch darin und keine dünne Stelle. Es ist das
beste, was er hatte, und sein ist's auch. Sie hätten's verdorben, wenn
ich nicht gewesen wäre.«
»Was meint Ihr mit verderben?« fragte der alte Joe.
»Nun, ihm das Hemd in das Grab mitgeben, was sonst?« erwiderte die Frau
lachend. »Es war da einer dumm genug, es ihm anzuziehen, aber ich zog's
ihm wieder aus. Wenn Kattun zu so etwas nicht gut genug ist, weiß ich
nicht, zu was er sonst gut wäre. Er steht einer Leiche ebensogut. Er
kann nicht häßlicher aussehen, als er darin aussah.«
Scrooge hörte das Gespräch mit Grausen an. Wie sie da um ihren Raub
herum in dem kärglichen Lampenlicht des Alten saßen, betrachtete er sie
mit einem Ekel und einem Abscheu, der nicht größer hätte sein können,
wenn es scheußliche Dämonen gewesen wären, die um die Leiche selbst
feilschten.
»Ha, ha!« lachte dieselbe Frau, als der alte Joe, einen alten flanellnen
Geldbeutel herauslangte und jedem den Preis des Raubes auf den Fußboden
hinzählte. »Das ist das Ende von der Geschichte, seht Ihr! Er scheuchte
jeden von sich, solange er lebte, um uns zu nützen, da er tot ist!
Hahaha!« »Geist«, sagte Scrooge, vom Fuß bis zum Scheitel zitternd. »Ich
verstehe dich. Das Los dieses Unglücklichen könnte das meinige sein.
Mein Leben geht jetzt auf dieses Ziel zu. Gnädiger Himmel, was ist das?«
Er fuhr entsetzt zurück, denn die Szene hatte sich verändert, und er
stand dicht vor einem Bett, einem einsamen, unverhängten Bett, in dem
unter einer groben Decke etwas Verhülltes lag, das, obgleich stumm, in
einer grauenerregenden Sprache verkündete, was es war. Das Zimmer war
sehr dunkel, zu dunkel, um etwas sicher erkennen zu können, obgleich
sich Scrooge, einem geheimen Gefühl folgend, voll Begier umsah, um zu
wissen, was für ein Zimmer es sei. Ein bleiches Licht, das von draußen
hereinströmte, fiel gerade aufs Bett; und auf diesem, geplündert und
beraubt, unbewacht und unbeweint, lag die Leiche dieses Mannes. Scrooge
blickte die Erscheinung an. Ihre regungslose Hand wies auf das Haupt des
Leichnams. Die Decke war so sorglos zurechtgelegt, daß das geringste
Verschieben, die leiseste Berührung von Scrooges Fingern das Antlitz
enthüllt hätte. Er dachte daran, empfand, wie leicht es geschehen
könnte, und sehnte sich, es zu tun; aber er hatte ebenso wenig die
Kraft, die Hülle wegzuziehen, wie den Geist von seiner Seite zu
entlassen. Oh, kalter, starrer, schrecklicher Tod, hier richte deinen
Altar auf und umgib ihn mit den Schrecken, über die du verfügst, denn
dies ist dein Reich! Aber dem geliebten und verehrten Haupt kannst du
kein Haar krümmen, von ihm kannst du keinen Zug widerlich machen. Auch
wenn die Hand schwer ist und herabsinkt, wenn man sie fallen läßt, auch
wenn das Herz und der Puls schweigen; die Hand war offen und barmherzig,
das Herz war offen und warm und gut und der Puls ein menschlicher. Töte,
Schatten, töte! Und sieh, wie seine guten Taten aus der Todeswunde
hervorströmen, um in der Welt ein unsterbliches Leben auszusäen! Es war
nicht etwa eine Stimme, die diese Worte in Scrooges Ohren flüsterte,
aber doch hörte er sie, während er auf das Bett starrte. Er dachte, wenn
dieser Mann jetzt wieder erweckt werden könnte, was würde wohl sein
erster Gedanke sein? Nur Geiz, Hartherzigkeit, habgierige Sorge. - Ein
schönes Ende haben sie ihm bereitet! Er lag in dem düstern leeren Haus,
und kein Mann, kein Weib, kein Kind war da, um zu sagen: »Er war gütig
gegen mich in dem und in jenem, und dieses einen gütigen Wortes
gedenkend will ich seiner warten.« Eine Katze kratzte an der Tür, und
die Ratten nagten und raschelten unter dem Kamin. Was sie in dem Gemach
des Todes wollten und warum sie so unruhig waren, wagte Scrooge nicht
auszudenken.
»Geist«, sagte er, »dies ist ein schrecklicher Ort. Wenn ich ihn
verlasse, werde ich nicht seine Lehre vergessen, glaube mir. Laß uns
gehen.«
Immer noch wies der Geist mit regungslosem Finger auf das Haupt der
Leiche.
»Ich verstehe dich«, antwortete Scrooge, »und ich täte es, wenn ich
könnte. Aber ich habe die Kraft nicht dazu, Geist. Ich habe die Kraft
nicht dazu.«
Wieder schien ihn der Geist anzublicken.
»Wenn irgend jemand in der Stadt ist, der bei dieses Mannes Tod etwas
fühlt«, bat Scrooge ganz erschüttert, »so zeige mir ihn, Geist, ich
flehe dich an.« Die Erscheinung breitete ihren dunklen Mantel einen
Augenblick vor ihm aus wie einen Fittich; und wie sie ihn wieder wegzog,
sah er ein taghelles Zimmer, in dem sich eine Mutter mit ihren Kindern
befand. Sie wartete auf jemandes Kommen in ängstlicher Hoffnung, denn
sie ging im Zimmer auf und ab, erschrak bei jedem Geräusch, sah zum
Fenster hinaus, blickte nach der Uhr, versuchte umsonst, sich zu
beschäftigen und konnte kaum die Stimmen der spielenden Kinder ertragen.
Endlich vernahm sie das langersehnte Klopfen an der Haustür, und als sie
hinausgehen wollte, kam ihr der Gatte entgegen. Sein Gesicht war
abgehärmt und bekümmert, obgleich er noch jung war! Es zeigte sich jetzt
ein merkwürdiger Ausdruck darin: eine Art ernster Freude, deren er sich
schämte und die er zu verbergen bestrebt war. Er setzte sich zum Essen
nieder, das man ihm am Feuer aufgehoben hatte; und als die Gattin ihn
erst nach langem Schweigen fragte, was er für Nachrichten bringe, schien
er um Antwort verlegen zu sein.
»Sind es gute«, fragte sie, »oder schlechte?«
»Schlechte«, gab er zur Antwort.
»Sind wir ganz zugrunde gerichtet?«
»Nein, noch ist Hoffnung vorhanden, Caroline.«
»Wenn er sich erweichen läßt«, rief sie erstaunt, »dann ist noch
Hoffnung da! Nichts ist hoffnungslos, wenn ein solches Wunder geschehen
ist.«
»Für ihn ist es zu spät, Erbarmen zu zeigen«, sagte der Gatte. »Er ist
tot.«
Wenn ihr Gesicht Wahrheit sprach, so war sie ein mildes und geduldiges
Wesen; aber sie war doch dankbar dafür in ihrem Herzen und sprach es mit
gefalteten Händen aus. Doch schon im nächsten Augenblick bat sie Gott,
daß er ihr verzeihen möge, und bereute es; aber das erste Gefühl war die
Stimme ihres Herzens gewesen.
»Was mir die halbbetrunkene Frau gestern abend meldete, als ich ihn
sprechen und um eine Woche Aufschub bitten wollte, und was ich nur für
einen bloßen Vorwand hielt, um mich abzuweisen, erweist sich jetzt als
die reine Wahrheit. Er war nicht nur sehr krank, er lag schon im
Sterben.«
»Auf wen wird unsere Schuld übergehen?«
»Ich weiß es nicht. Aber noch vor dieser Zeit werden wir das Geld haben;
und selbst, wenn dies nicht einträfe, wär' es fast unwahrscheinlich
großes Pech, in seinem Erben einen ebenso unbarmherzigen Gläubiger zu
finden. Wir können heut' nacht leichteren Herzens schlafen, Caroline.«
Ja, sie mochten es verhehlen, wie sie wollten: ihre Herzen waren
leichter. Die Gesichter der Kinder, die sich still um die Eltern
drängten, um zu hören, was sie so wenig verstanden, erhellten sich, und
alle wurden glücklicher durch dieses Mannes Tod. Das einzige von diesem
Ereignis hervorgerufene Gefühl, das ihm der Geist zeigen konnte, war
also eins der Freude.
»Laß mich ein zärtliches, bei einem Todesfall empfundenes Gefühl sehen«,
bat Scrooge, »oder mir wird dies dunkle Zimmer, das wir soeben verlassen
haben, immer vor Augen bleiben.« Nun führte ihn der Geist durch mehrere
Straßen, die er oft gegangen war; und indem sie vorüberschwebten, hoffte
Scrooge sich hier und da zu erblicken, aber nirgends war er zu sehen.
Sie traten in Bob Cratchits Haus, dessen Wohnung sie schon früher
besucht hatten, und fanden dort die Mutter mit den Kindern um das Feuer
sitzen. Alles war ruhig, alles war still, sehr still. Die lärmenden
kleinen Cratchits saßen stumm, wie steinerne Bilder, in einer Ecke und
sahen auf Peter, der ein Buch vor sich hatte. Mutter und Töchter nähten.
Aber auch sie waren still, sehr still.
»Und er nahm ein Kind und stellte es in ihre Mitte.«
Wo hatte Scrooge diese Worte gehört? Der Knabe mußte sie gelesen haben,
als er und der Geist über die Schwelle traten. Warum fuhr der Leser
nicht fort?
Die Mutter legte ihre Arbeit auf den Tisch und führte die Hand gegen die
Augen.
»Die Farbe tut mir weh«, sagte sie.
Die Farbe? Ach, der arme Tiny Tim!
»Es geht jetzt wieder besser«, sagte Cratchits Frau.
»Die Farbe tut mir weh bei Licht, und ich möchte nicht, daß Vater, wenn
er heimkommt, meine roten Augen sieht. Es muß bald Zeit sein.«
»Fast schon vorüber«, erwiderte Peter, das Buch schließend. »Aber ich
glaube, Mutter, er geht jetzt etwas langsamer als früher.«
Sie waren wieder sehr still. Endlich sagte sie mit einer ruhigen,
heiteren Stimme, die nur ein einziges Mal zitterte:
»Ich weiß, daß er mit - ich weiß, daß er mit Tiny Tim auf der Schulter
sehr schnell ging.«
»Ich auch«, rief Peter. »Oft.«
»Ich auch«, stimmten die andern ein.
»Aber er war sehr leicht zu tragen«, fing sie wieder an, den Blick fest
auf ihre Arbeit gerichtet, »und der Vater liebte ihn so, daß es keine
Last für ihn war -keine Last. Doch horch: da kommt der Vater.«
Sie eilten ihm entgegen und Bob mit dem Schal - der arme Kerl hatte ihn
nötig - trat herein. Sein Tee stand bereit, und sie drängten sich alle
herbei, und jeder wollte ihn am meisten bedienen. Dann kletterten die
beiden kleinen Cratchits auf seine Knie, und jedes Kind legte eine
kleine Wange an die seine, als wollten sie sagen: »Gräm dich nicht,
lieber Vater, sei nicht traurig.«
Bob war sehr heiter und sprach sehr munter mit der ganzen Familie. Er
besah die Arbeit auf dem Tisch und lobte den Fleiß und den Eifer seiner
Frau und Töchter. Sie würden lange vor Sonntag fertig sein, meinte er.
»Sonntag!« wiederholte die Frau. »Du warst also heute dort, Robert?«
»Ja, meine Liebe«, antwortete Bob. »Ich wollte, du hättest auch hingehen
können. Es würde dein Herz erfreut haben, zu sehen, wie grün es dort
ist. Aber du wirst es oft sehen. Ich versprach ihm, sonntags hinzugehen.
Mein liebes, liebes Kind!«meinte Bob. »Mein liebes Kind!«
Er brach auf einmal zusammen. Er konnte nicht anders. Hätte er anders
gekonnt, so wären er und sein Kind einander wohl weniger nahe gewesen.
Er verließ die Stube und ging die Treppe hinauf in ein Zimmer, das hell
erleuchtet und weihnachtsmäßig aufgeputzt war. Ein Stuhl stand dicht
neben dem Kind und man sah, daß vor kurzem jemand dagewesen war. Der
arme Bob setzte sich nieder, und als er ein wenig nachgedacht und sich
gefaßt hatte, küßte er das kleine kalte Gesicht. Er war versöhnt mit dem
Geschehenen und ging wieder hinunter ganz heiter. Sie setzten sich um
das Feuer und unterhielten sich; die Mädchen und Mutter arbeiteten fort.
Bob erzählte ihnen von Scrooges Neffen und seiner außerordentlichen
Freundlichkeit, obwohl er ihn kaum ein einziges Mal gesehen habe. Er
habe ihn heute auf der Straße getroffen, und als er bemerkt, daß er ein
wenig niedergeschlagen aussähe, habe er ihn gefragt, was ihn bekümmere.
»Hierauf«, sagte Bob, »erzählte ich es ihm, denn er ist der
freundlichste junge Herr, den ich kenne. `Ich bedaure Sie herzlich, Mr.
Cratchit`, sagte er, `und auch Ihre gute Frau.´ - Übrigens, wie er das
wissen kann, möchte ich wissen.«
»Was soll er wissen, mein Lieber.«
»Nun, daß du eine gute Frau bist«, antwortete Bob.
»Jedermann weiß das«, meinte Peter.
»Sehr gut bemerkt, mein Junge«, rief Bob. »Ich hoffe, es ist so.
´Herzlich bedaure ich Ihre gute Frau´, sagte er. ´Wenn ich Ihnen auf
irgendeine Weise behilflich sein kann´, setzte er hinzu, indem er mir
seine Karte gab, ´hier ist meine Adresse. Kommen Sie nur zu mir.´ Nun
ist es nicht gerade darum«, sprach Bob, »weil er etwas für uns tun
könnte, sondern mehr wegen seiner herzlichen Weise, daß ich mich darüber
so freute. Es schien wirklich, als habe er unsern Tiny Tim gekannt und
fühle mit uns.«
»Er ist gewiß eine gute Seele«, sagte Mrs. Cratchit.
»Du würdest das noch eher erkennen, meine Liebe«, antwortete Bob, »wenn
du ihn sähest und mit ihm sprächest. Es sollte mich nicht wundern, wenn
er Peter eine bessere Stelle verschaffte. Denkt an meine Worte.«
»Nun höre nur, Peter«, sagte Mrs. Cratchit.
»Und dann«, rief eines der Mädchen, »wird sich Peter nach einer Frau
umsehen.«
»Ach, sei still«, antwortete Peter lachend.
»Nun, das kann schon kommen«, sagte Bob, »doch bis dahin hat er noch
eine Menge Zeit. Aber wie und wann wir uns auch voneinander trennen
sollten, so bin ich doch überzeugt, daß keiner von uns den armen Tiny
Tim vergessen wird oder diese erste Trennung, die wir erfuhren.«
»Niemals, Vater«, riefen alle.
»Und ich weiß«, sagte Bob, »ich weiß, meine Lieben, wenn wir daran
denken, wie geduldig und wie sanft er war, obgleich er nur ein kleines
Kind war, werden wir uns nicht so leicht zanken und den guten Tiny Tim
vergessen, indem wir's tun.«
»Nein, niemals, Vater«, riefen wieder alle.
»Ich bin sehr glücklich«, sagte Bob, »sehr glücklich.«
Mrs. Cratchit küßte ihn, seine Töchter küßten ihn, die beiden kleinen
Cratchits küßten ihn, und Peter und er drückten sich die Hand. Seele
Tiny Tims, du warst ein Hauch von Gott.» Geist«, sprach Scrooge, »etwas
sagt mir, daß wir uns bald trennen werden. Ich weiß es, aber ich weiß
nicht wie. Sag mir, wer war es, den wir auf dem Totenbett sahen?«
Der Geist der zukünftigen Weihnacht führte ihn wie zuvor - doch zu
verschiedener Zeit, wie es ihm vorkam, und überhaupt schien in den
letzten abwechselnden Gesichtern keine Zeitfolge stattzufinden - an die
Zusammenkunftsorte der Geschäftsleute, aber er sah sich selber nicht.
Der Geist hielt sich nirgends auf, sondern schwebte immer weiter, wie
nach dem Ort zu, wo Scrooge die gewünschte Lösung des Rätsels finden
würde, bis ihn dieser bat, einen Augenblick zu verweilen.
»Ja, dieser Hof, durch den wir jetzt eilen«, sagte Scrooge, »war einst
mein Geschäft und war es lange Jahre hindurch. Ich erkenne das Haus. Laß
mich sehen, was ich in den kommenden Tagen sein werde.«
Der Geist stand still; die Hand zeigte anderswohin.
»Das Haus ist dort«, rief Scrooge. »Warum zeigst du anderswohin?«
Der unerbittliche Finger nahm keine andere Richtung an. Scrooge eilte
nach dem Fenster seines Kontors und schaute hinein. Es war noch ein
Kontor, aber nicht das seinige. Die Möbel waren nicht dieselben, und die
Gestalt in dem Stuhl war nicht die seine. Die Erscheinung zeigte nach
derselben Richtung wie vorher. Er trat wieder zu ihr hin und
nachsinnend, warum und wohin sie gingen, begleitete er sie, bis sie eine
eiserne Pforte erreichten. Er stand still, um sich vor dem Eintreten
umzusehen. Es war ein Kirchhof. Hier also lag der Unglückliche unter der
Erde, dessen Namen er noch erfahren sollte. Der Ort war seiner würdig.
Rings von hohen Häusern umgeben, überwuchert von Unkraut, entsprossen
dem Tod, nicht dem Leben der Vegetation, vollgepfropft von zu vielen
Leichen, genährt von übersättigtem Genuß. Der Geist stand inmitten der
Gräber still und deutete auf eins hinab. Scrooge näherte sich ihm
bebend. Die Erscheinung war noch ganz so wie früher, aber ihm war es
immer, als sähe er eine neue Bedeutung in der düsteren Gestalt.
»Ehe ich mich dem Stein nähere, den du mir zeigst«, sagte Scrooge,
»beantworte mir eine Frage. Sind dies die Schatten der Dinge, die sein
werden, oder nur deren, die sein können ?«
Immer noch wies der Geist auf das Grab hin, vor dem sie standen.
»Die Wege des Menschen tragen ihr Ziel in sich«, murmelte Scrooge. »Aber
schlägt er einen andern Weg ein, so ändert sich das Ziel. Sag, ist es so
mit dem, was du mir zeigen wirst?«
Der Geist blieb so unbeweglich wie immer.
Scrooge näherte sich schlotternd dem Grabe, und wie er der Richtung des
Fingers folgte, las er auf dem Stein seinen eigenen Namen.
EBENEZER SCROOGE
»Bin ich es, der auf jenem Bett lag?« rief er, in die Knie sinkend.
Der Finger zeigte von dem Grabe fort auf ihn und wieder zurück.
»Nein, Geist, o nein!«
Der Finger wies unveränderlich dorthin.
»Geist«, rief Scrooge, sich fest an sein Gewand klammernd, »ich bin
nicht mehr der Mensch, der ich ehedem war. Ich will ein anderer Mensch
werden, als ich vor diesen Tagen gewesen bin. Warum zeigst du mir dies,
wenn alle Hoffnung geschwunden ist?«
Zum ersten Male schien des Geistes Hand zu zittern.
»Guter Geist«, fuhr er fort, »dein eigenes Herz legt bittend für mich
ein Wort ein und bedauert mich. Sag mir, daß ich durch ein verändertes
Leben die Schattenbilder, die du mir gezeigt hast, ändern kann!«
Die gütige Hand zitterte.
»Ich will Weihnachten in meinem Herzen ehren, ich will versuchen, es zu
feiern. Ich will in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der
Zukunft leben. Die Geister von allen dreien sollen in mir lebendig sein.
Ich will ihren Lehren mein Herz nicht verschließen. O sage mir, daß ich
die Schrift auf diesem Stein tilgen kann!«
In seiner Angst ergriff Scrooge die gespenstige Hand. Sie versuchte,
sich von ihm loszumachen, aber er war stark in seinem Flehen und hielt
sie fest. Der Geist, noch stärker, stieß ihn zurück. Wie Scrooge die
bebenden Hände zu einem letzten Flehen um Änderung seines Schicksals in
die Höhe hielt, sah er die Erscheinung sich verändern. Sie wurde kleiner
und kleiner und schwand zu einem Bettpfosten zusammen.
~ Marley's Geist ~
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~ Der letzte Geist ~ Das Ende ~