Sonntag, 6. November 2005
Des Zuckers Lösung wäre Stevia rebaudina
Seit frühester Zeit hat der Mensch und auch das Tier das Bedürfnis, süße Speisen, oder süßes Futter aufzunehmen. So hat man erste Zeichen von Honigwirtschaft auf Wandmalereien in den "Cuevas de la Araña" in Spanien entdeckt, die auf 7000 v.Chr. zurückgehen.
Das Bedürfnis nach Süße ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß Zucker eine energiereiche Nahrung darstellt, mit dem sich Tier und Mensch das Überleben sicherten. Viele Pflanzen paßten sich dieser Situation an, indem sie in ihren Früchten in erster Linie Kohlenhydrate bildeten (Kim & Dubois 1991).
Die bekanntesten Süßstoffe sind Saccharin, Aspartam und Cyclamat, welche synthetisch hergestellt werden. Diese synthetischen Süßstoffe haben jedoch Fragen hinsichtlich ihrer Nebenwirkungen aufgeworfen, so gilt Saccharin seit 1980 als ein Harnblasenkarzinogen- und Tumorförderer bei weiblichen Mäusen und Ratten (Kinghorn 1986; Yodringyuad 1991).
Aspartam verursacht Kopfschmerzen und Gleichgewichtsstörungen. Cyclamat, das in den Jahren 1950-1969 der weitverbreitete Süßstoff war, ist von der FDA als Karzinogen von der Liste der absolut sicheren Lebensmittel (GRAS) gestrichen worden. Im gleichen Jahr erfolgte das Verbot in Japan (Kinghorn 1986).
Stevia rebaudiana, so die wissenschaftliche Bezeichnung für eine Pflanze die mancher vielleicht auch unter dem Namen Süßkraut, Süßblatt oder Honigkraut kennt. Sie besitzt eine einzigartige Eigenschaft: Sie speichert Süßstoff in ihren Blättern. Die üblichen pflanzlichen Speicherstoffe sind Traubenzucker oder Stärke, aber beim Honigkraut ist es das relativ kompliziert aufgebaute Steviosid, für Chemiker ein Mitglied der großen Gruppe der Diterpene.
Aus Steviosid kann der menschliche Körper keine Kalorien gewinnen, es ist ein echter Zucker-Ersatzstoff, den die Natur frei Haus liefert. Wegen der Süßkraft des Steviosids, die 300fach über der von Rohr- und Rübenzucker liegt, wird die Pflanze in vielen Teilen der Welt seit langem landwirtschaftlich angebaut.
Seit Jahrhunderten wird Stevia schon von der indigenen Bevölkerung Brasiliens und Paraguays als Süßstoff verwendet. Die GuaranÃ-Indianer nennen es "ka'a he'ê" und nutzen es, um ihren Mate-Tee zu süßen. Ebenso wird es zum Süßen anderer Tees und Nahrungsmittel verwendet.
Die Europäer lernten Stevia im sechzehnten Jahrhundert kennen, als die spanischen Konquistadoren darüber berichteten, dass die südamerikanischen Eingeborenen die Blätter einer Pflanze benutzten, um Kräutertee zu süßen. Seitdem ist Stevia immer bekannter in Europa und Asien geworden. In den Vereinigten Staaten benutzten Kräuterexperten das Blatt gegen Diabetes, hohen Blutdruck, Infektionen und als Süßstoff. In Brasilien und seit 1970 auch in Japan, ist Stevia als Nahrungsmittelzusatz und Zuckerersatz zugelassen.
Stevia wird zur Zeit in vielen Teilen von Brasilien, Paraguay, Uruguay, in Zentralamerika, Israel, Thailand und der Volksrepublik China angebaut.
Bedeutung von Stevia in Japan und Brasilien
Seit fast 20 Jahren verwenden Millionen von Verbrauchern in Japan und Brasilien, wo Stevia als Nahrungsmittelzusatz genehmigt ist, Stevia-Extrakte als sichere, natürliche, kalorienfreie Süßstoffe. Japan ist der größte Verbraucher von Stevia-Blättern und -Extrakten in der Welt. Dort wird es benutzt, um alles, von der Sojasoße über Essiggurken, zu den Konfektionsartikeln und den alkoholfreien Getränken zu süßen. Sogar multinationale Konzerne wie Coca-Cola nutzen Stevia zum Süßen von Lebensmitteln (als Ersatz für Nutra-Sweet und Saccharin) für Verkauf in Japan, in Brasilien und in anderen Ländern.
Widerstand der Süßstoff-Hersteller und anderer Lobbyisten
Der Versuch eines europäischen Stevia-Bauern, in der EU eine Zulassung für Stevia als Lebensmittelzusatz zu erhalten, ist gescheitert, da dieser keinen Nachweis über die Unbedenklichkeit vorweisen könnte, was viele langwierige und deshalb teure Test nötig gemacht hätte.
In den USA hat die Firma Monsanto, Hersteller des Süßstoffes Aspartam, 1984 eine wissenschaftliche Untersuchung finanziert, die an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Stevia Zweifel auftat. Danach sollte ein Abbauprodukt des Steviosids (Steviol) mutagen wirken. Der inhaltliche Wert dieser wissenschaftlichen Untersuchung ist sehr umstritten.
Trotzdem setzte Monsanto die amerikanische Gesundheitsbehörde weiter unter Druck. 1991 wurde von der FDA (Food and Drug Administration) Steviaprodukte und auch deren Einfuhr in die Vereinigten Staaten verboten.
Mehrere Mitglieder der FDA haben nach dieser Entscheidung in besser bezahlte Positionen bei Nutrasweet, einem Unternehmen des Monsanto Konzern gewechselt. Seit 1995 ist durch den Einsatz der Verbindung der amerikanischen Naturproduktindustrie dieses Verbot immerhin soweit aufgehoben, dass Stevia-Produkte als diätische Lebensmittel-Ergänzungen verwendet werden dürfen, nicht aber allgemein als Lebensmittelzusätze.
In der EU ist die Situation eine andere.
Der kommerzielle Anbau von Stevia ist momentan noch Zukunftsmusik, denn zunächst müsste die alte Heilpflanze als neues Lebensmittel von der EU zugelassen werden.
Dafür sind laut Novell-Food-Verordnung erst einmal umfangreiche Prüfverfahren nötig.
Die schützen in diesem Fall nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Hersteller anderer, bei uns schon zugelassener Süßstoffe vor lästiger Konkurrenz.
Das Problem ist, dass die Erkenntnisse aus Asien nicht unmittelbar auf Europa übertragbar sind, weil es hier teilweise höhere Anforderungen gibt. Es sind erst mal sehr viele Untersuchungen erforderlich, die erst mal viel Geld und Zeit kosten. Auf der anderen Seite sind die Hersteller der künstlichen Süßstoffe daran interessiert, ihre Produkte weiter zu verkaufen und finanzieren die "Gegenstudien". (Dr. Pude)
Der wissenschaftliche Lebensmittelausschuss der EU, der über die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Stevia befinden sollte, stützte sich in seiner Ablehnung auf die gleiche wissenschaftliche Arbeit, die in den USA kurzfristig zu einem Verkaufsstopp führte.
Hingegen werden Stevia-Kräutertöpfe in der Schweiz, die nicht zur EU gehört, in den Frühjahrs- und Sommermonaten auf jedem Wochenmarkt verkauft und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit.
Links zum Thema:
Süßkraut (Stevia rebaudiana)
Stevia in der Schweiz
Stevia Ratgeber
Zum Abschluss
Ich habe gestern ein klitzekleines Stück eines Stevia Blattes gekostet... Es ist so unheimlich süß das es wirklich schon unangenehm war. Mein erster Satz dazu war: Das erzähl ich meinem Mann - er soll mir in Zukunft diese Pflänzchen kaufen und keine Schokolade - Nie mehr auf Kalorien achten - keine Karies - kann es etwas besseres geben?... Für mich war die Suche nach Informationen zu der Pflanze total spannend und ich wollte euch ja davon erzählen, weil ich euch das sonntägliche Frühstück eventuell verdorben hatte. (siehe Artikel von heute morgen)
Gwen - #1 - 06.11.2005 20:11 - (Antwort)
ich empfehle allen die Produkte von weight watchers zu kaufen, weil alles dort ist zucker und fett reduziert und trotzdem schmeckt. Süßstoffe sind wirklich ungesund. ich reagiere allergisch darauf. Grüße, Gwen
Gabi - #2 - 07.11.2005 22:46 - (Antwort)
Hallo Mari, Zucker ist hier bei uns in der Lüneburger Heide ein großer Wirtschaftsfaktor. In unserer Kreisstadt Uelzen steht die größte Zuckerfabrik Deutschlands - wenn nicht sogar Europas. Aus den Zuckerrüben stellt man nicht nur Zucker her, sondern auch so einen klebrig-braunen Sirup, der unter dem Namen "Grafschafter Goldsaft" in einem gelben Becker zu bekommen ist. Freunde von uns brachten aus ihrem Urlaub in Meck-Pomm den Ausdruck "Überrübe" für dieses Zeug mit. Kennst Du den auch? :-)) Liebe Grüße, Gabi
Kerstin - #2.1 - 08.11.2005 09:29 - (Antwort)
Hallo Gabi, sofern ich richtig liege kommt die "Überrübe" aus Zörbig. Ist genauso ein Rübensirup wie "Grafschafter Goldsaft" und wird wie gesagt in Zörbig als "Zörbiger Überrübe" produziert und vertrieben (Glas mit witziger Rübe drauf, gelber Deckel). Ich hoffe ich konnte helfen. LG Kerstin
Jutta - #3 - 20.05.2010 17:17 - (Antwort)
Schade, dass Stevia noch nicht zugelassen ist. Würde es gerna mal ausprobieren...
Ein Stevia Fan - #4 - 11.09.2010 22:18 - (Antwort)
Hallo Gabi, danke für den tollen Beitrag! Jetzt, nach 5 Jahren, scheint sich auf europäischer Ebene tatsächlich etwas zu bewegen. In Frankreich und der Schweiz werden sogar schon die ersten Steviaprodukte im Lebensmittelhandel verkauft! Liebe Grüße, Sandra
Kommentare