Life-Interview ...
- Mari fragt:
Janik, wie kommt man auf die Idee Geographie-Student zu werden, war es schon immer dein Wunsch die Beschaffenheit der Erdoberfläche und deren Auswirkungen auf den Menschen zu erforschen? Woher kommt diese Neugier?
Meine Faszination für Geographie liegt in erster Linie an der großen Vielfalt an Themenbereichen, die dieses Fach umfasst. Es ist ein sehr allgemein bildendes Studium, das sowohl sozialwissenschaftliche als auch physiogeographische Elemente beinhaltet.
Ich habe während meiner Schulzeit bereits in mehreren Ländern gelebt und dort unterschiedliche Kulturen und Landschaftsräume kennen gelernt. Diese Erfahrungen wollte ich auch weiterhin machen und das Geographie-Studium ist dafür ideal geeignet.
Als Studienort wählte ich Graz in Österreich, wo mich die Hochgebirgs- und Klimaforschung des Geographieinstitutes besonders interessierte - und natürlich auch die tolle Landschaft mit den Ostalpen im Norden und den idyllischen Weinbergen im Süden!
- Mari fragt:
Du schreibst nun deine Diplomarbeit über Spitzbergen, warum gerade Spitzbergen? Was reizt dich genau an dieser Gegend?
Die Idee ein Auslandsemester auf Spitzbergen zu verbringen entstand bereits am Anfang meines Studiums als ich im "Spiegel" einen Artikel über die dortige Polaruniversität Unis in der norwegischen Siedlung Longyearbyen (ca. 1700 Einwohner) gelesen hab. Sowohl die Polarforschung als auch der ausgefallene Studienort haben mich begeistert.
Ein Freund aus Graz war inzwischen auch auf Spitzbergen gewesen und hat mir tolle Landschaftsbilder von seinem Aufenthalt gezeigt und abenteuerliche Geschichten erzählt.
2 Jahre später hab ich es dann durchgezogen und bin für 6 Monate nach Spitzbergen gezogen. Dort entstand auch die Idee einer Diplomarbeit über Gletscher auf Spitzbergen.
- Mari fragt:
Was war dein erster Eindruck als du 2004 dort oben ankamst?
Ich bin Mitte Februar auf Spitzbergen angekommen. Da war die 3-monatige Polarnacht gerade zu Ende und zur Mittagszeit war es bereits leicht dämmerig. Von der Landschaft war allerdings noch nicht viel zu sehen.
Für mich ging gleich mein erster Kurs über Glaziologie los. Der erste Tag bestand jedoch nur aus einem Sicherheitstraining. Dieses bestand aus einem Schießtraining (wegen der Eisbärgefahr - dazu unten mehr) und Schneemobiltraining.
Die Stimmung an der Uni war toll! Die Studenten hier kommen aus aller Welt: Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Deutschland, Österreich, Spanien, Russland, Polen, England, USA, Australien... ein Student kam sogar aus Kamerun. Er war aber meist nur "indoors" anzutreffen, denn draußen war es ihm "too damn cold!". Einheitssprache unter den Studenten ist da natürlich Englisch.
Hier gibt es Infos zum aktuellen Wetter auf Spitzbergen:
Spitzbergenwetter oder Wetterstation in Adventdalen
- Mari fragt:
Die Menschen auf Spitzbergen, wie sind sie, wie gehen sie mit der Dämmerung um, die ab April bis September zu erleben ist?
Janik:
Es gibt heute noch zwei Dauersiedlungen auf
Spitzbergen. Die norwegische Siedlung Longyearbyen und die russische
Siedlung Barentsburg. Ich habe in der norwegischen Ortschaft
gewohnt, welche deutlich reicher und besser ausgestattet ist.
Hier lassen sich grob 3 Gruppen einteilen:
- die
Bergbauarbeiter, welche die meiste Zeit im Bergwerk von Svea (ca.
60km von Longyearbyen) arbeiten
- die Einheimischen (in
Longyearbyen wohnend), welche v.a. vom Tourismus und administrativen
Tätigkeiten (auch Schule, etc.) leben und zuletzt
- die
Professoren und Studenten der Universität.
Da alle auf engstem
Raum zusammenleben sind soziale Bindungen auf Spitzbergen besonders
wichtig.
Die besonderen Beleuchtungsverhältnisse spiegeln sich natürlich
auch im Alltag wieder. Im Winter herrscht 3 Monate völlige
Dunkelheit (Polarnacht), dafür geht im Sommer 3 Monate lang die
Sonne nicht unter (Mitternachtssonne).
Besonders anstrengend fand
ich persönlich jedoch die Übergangszeit. Teilweise wird die
Sonnenscheindauer von Tag zu Tag um 20 min länger. Das macht in
einer Woche schon über 2 Stunden Unterschied! Da verliert man sehr
schnell mal das Zeitgefühl.
Sehr lustig ist das Sonnenfest in
Longyearbyen im März, wenn die ersten Sonnenstrahlen des Jahres
(natürlich nur bei schönem Wetter) auf den Ort scheinen. Eine Woche
lang gibt es diverse Kinderfeste, Live-Musik und Partys.
- Mari fragt:
Eisbärbegegnung, hattest du Angst davor? Wie hast du reagiert?
Janik:
Natürlich hatte ich großen Respekt vor den
Eisbären! Das ist normal! Sie sind wilde Tiere, die das
Zusammenleben mit Menschen nicht gewohnt sind.
Wenn wir uns in
ihrem Lebensraum bewegen, müssen wir ihnen mit Respekt begegnen.
Zwischenfälle mit Eisbären sind zwar selten, aber sie kommen vor und
enden mitunter auch tödlich. Daher ist es auf Spitzbergen Vorschrift
bei Verlassen der Ortschaft ein Gewehr (am besten halbgeladen) mit
sich zu führen. Innerhalb der Ortschaften dürfen Gewehre natürlich
nur ungeladen transportiert werden.
Vor Beginn eines Kurses an der Uni gibt es ein Schießtraining,
bei dem man lernt mit den Gewehren umzugehen.
Am Anfang kommt einem der tägliche Umgang mit Gewehren noch
sehr fremd vor. An der Uni gibt es z.B. in der Garderobe neben den
Mantelhaken auch eigene Abstellplätze für die Gewehre. Bei manchen
gibt es diese auch im Kleiderschrank im Studentenzimmer.
Mit der Zeit gewöhnt man sich jedoch an das Gewehr als Teil des
Alltags.
Auf längeren Wandertouren mit dem Zelt ist neben dem Gewehr auch
ein "Stolperdraht" sinnvoll, den man mit mehreren Metern Abstand um
das Zelt spannt. Sollte ein Eisbär zu Nahe ans Zelt kommen und den
Stolperdraht berühren, macht es einen mächtigen Knall und man wacht
auf und sollte schleunigst zum bereitliegenden Gewehr greifen und
nachschauen.
Ich selbst habe drei Bären in 6 Monaten gesehen.
Zwei im Frühjahr in der Nähe der Uni und einen im Sommer auf einer
Wanderung. Sie waren jedoch immer ausreichend weit entfernt, so dass
keine unmittelbare Gefahr bestand.
Freunde von mir wurden auf
einer Wanderung jedoch über mehrere Tage von einem Eisbären
verfolgt. Da fällt es einem natürlich schwer Nachts ein Auge
zuzubekommen ...
- Janik, ich danke dir von Herzen für diese
interessanten Ausführungen ... ich denke, wenn mich meine
Besucher hier mit weiteren Fragen anschreiben sollten, werde
ich sie dir einfach weiterleiten und wir setzen dieses
Interview fort.
Bis dahin wünsche ich dir maximale Erfolge bei deinem Diplom und alles Gute für dich!
Mari