1989-1991

1989November 1989 - Cindy war damals 2,5 Jahre alt - war eine unruhige Zeit. Jeden Tag gab es Demonstrationen, weil die Menschen einfach nicht mehr so leben wollten. Jeden Tag hörten wir von tausenden Menschen die wieder nach dem "Westen" gegangen waren. Freunde reisten plötzlich offiziell aus, die schon Jahre darauf gewartet hatten. Kommt doch mit sagten sie, aber wir wollten nicht, wir waren hier zu Hause, hier war unsere Heimat ... und so sagten wir manchmal  im Spaß: "Es muss auch noch jemanden geben, der hier das Licht ausmachen wird..."

Mein Mann ging zu jeder Demonstration und ich hatte Angst, das er nicht mehr heim kommen würde. Mein Cousin lebte damals als Student in Dresden und erzählte die abenteuerlichsten Geschichten. Es gab Unmassen Verhaftungen, es gab Prügel ... es gab Mütter die sich mit ihren Kindern auf die Schienen gesetzt haben, wenn ein Zug nach Budapest gehen sollte nur um mit zu können.

1989Am 20. Oktober 1989 nahmen 50.000 Dresdner an der Demonstration teil und es war für mich ergreifend ohne Ende. Mit Tränen in den Augen bin ich mitgelaufen und auch mit Angst.

Am Donnerstag, dem 09. November haben wir vorm Fernseher gesessen und sahen die Lifeübertragung um 17.00 Uhr der Pressekonferenz mit Günter Schabowski. Kurz vor deren Ende teilt er den erstaunten Journalisten mit, dass ab sofort Westreisen für jedermann möglich sind. Wir konnten es nicht glauben. Am Freitag Abend sind wir nach Berlin zu unseren Freunden gefahren, Cindy hatten wir bei meiner Mutter gelassen. Und dann sind wir mit 1000den Menschen hinüber gelaufen. Das allererste Mal in unserem Leben waren wir im Westen, ich habe geheult ohne Ende. Ich persönlich fand den Empfang damals sehr ergreifend aber auch sehr peinlich, wir wollten nicht wegen einem Paket Kaffee oder wegen Bananen hinüber laufen, wir wollten einfach über eine Grenze gehen, die für uns eigentlich ein Leben lang tabu gewesen war.

Was soll ich sagen, wenn ich mich an meine Kindheit und an meine Jugend in der DDR erinnere, dann weiß ich, dass es mir immer gut ging. Wir hatten irgendwie Glück, wir hatten Verwandte im Westen und so waren wir vielleicht wirklich schon privilegiert. Ich hatte West-Klamotten es gab ab und an ein "Westpaket" mit Dingen die man hier manchmal noch nicht einmal kannte. Mein erster Füller war ein Pelikan und ich hatte Tintenkiller ... Mein Vater war damals Taxifahrer und hatte somit das Glück, das er auch ab und an jemanden aus dem Westen fahren konnte und es ein paar Mark "Westgeld" als Trinkgeld gab. Das wurde gespart ohne Ende bis man im Intershop einkaufen gehen konnte.... Das waren so Träume und Wünsche von einem kleinen Mädchen und meine Eltern erfüllten mir sie soweit sie es konnten.
1990
Ich weiß noch wie heute, eines Weihnachten, ich war vielleicht 13, bekam ich ein rundes, orange Radio geschenkt. Ich war völlig fasziniert..., ich habe es noch heute im Schrank liegen.

Meine Eltern schimpften oft über die Zustände aber sie haben irgendwie immer versucht, mich davor zu bewahren. Sie haben keinen Hass in mir gegen dieses System entwickelt. Wir mussten hier leben es war unsere Heimat.
Taxifahrer hatten eben auch Beziehungen und so gab es Bananen und Apfelsinen zu Weihnachten und grüne Gurken und Tomaten im Sommer und die haben leckerer geschmeckt als heute, wo man das ganze Jahr welche kaufen kann, sie waren eben immer etwas besonderes gewesen.

Und so habe ich irgendwie meine Lehre als Herrenmaßschneiderin gemacht. Mutter kannte da jemanden - es war nicht mein Traumberuf, denn eigentlich wollte ich Lehrerin werden, aber ich habe eine sehr tiefe Stimme und so bin ich schon beim ersten Stimmtest durchgefallen. Damals musste man diese Tests mitmachen, es gab eben nicht genug Plätze und so wurde auch auf diese Art aussortiert.

Ich hab nach Lehrabschluss 318,00 Mark bei 100% Normerfüllung verdient, das war also ein Beruf, von dem man nicht leben konnte. Es hat mir auch keinen Spaß gemacht und so habe ich ungelernt im Betrieb, in dem meine Mutter als Sekretärin arbeitete, als Telefonistin angefangen. Nach zwei Jahren habe ich dann eine zweite Ausbildung zur Wirtschaftskauffrau begonnen.

1989Aber ich schweife ab, es war im Jahr 1989 in dem sich so viel verändern sollte ... wir waren also hier geblieben und erlebten so die "Wende".

Ein Jahr später saßen wir am 1. Juli auf dem Altmarkt in Dresden und haben die Währungsunion gefeiert. Wir lernten damals zwei Amerikaner kennen, denen wir am nächsten Tag unsere Sächsische Schweiz gezeigt haben. Bob lebt in Oregon und seine Freundin kam aus Frankreich. Leider ist der Kontakt im Laufe der Zeit wieder abgebrochen.

Irgendwann war Cindy mal wieder bei ihren Großeltern zu Besuch und sie sagte ganz Wichtig: "Opi wir haben jetzt Einheit". An den Satz erinnern sie sich immer wieder wenn der 3. Oktober naht.

1991 bekam mein Mann die Möglichkeit eine Tankstelle zu pachten und zog 1992 nach Zwickau. Eigentlich wollten wir ja gemeinsam dort ein neues zu Hause für uns finden. Aber nachdem er da lebte, stellten wir gemeinsam fest, das wir unser schönes Dresden für nichts in der Welt eintauschen wollten. Und so lebten wir von da an in einer Art Wochenendbeziehung.

1993